Manager überschätzen Marktanteil als Erfolgsgaranten

Je mehr Marktanteil, desto besser? Dieses weit verbreitete Manager-Mantra von zu steigernden Umsätzen ist überholt.

Freitag, 14 September, 2018

Je mehr Marktanteil, desto besser? Dieses weit verbreitete Manager-Mantra von zu steigernden Umsätzen ist überholt. Das zeigt eine aktuelle Studie von Alexander Himme, Associate Professor of Management Accounting an der Kühne Logistics University (KLU), Hamburg, und Marketingexperte Dr. Alexander Edeling, Universität Köln. Je nach Branche, Marktsegment und Weltregion fällt der Marktanteil demnach unterschiedlich stark ins Gewicht. Wichtiger für den Gewinn sind bislang unterschätzte Kennzahlen zu Image, Markenstärke und Kundenbindung.

Umsatz und Marktanteil von strategischer Bedeutung – aber überbewertet?

Die Marketing-Forscher analysieren, wie stark sich der Umsatz und damit der Marktanteil auf die Profitabilität von Unternehmen weltweit auswirken. „Dies ist eine hochstrategische Frage, die oft auf höchster Management-Ebene diskutiert wird“, erläutert Alexander Himme von der KLU. „Der Marktanteil ist leicht messbar, anschaulich in der Kommunikation und wettbewerbsorientiert. Das macht ihn nach wie vor zu einer populären Kenngröße und in der Regel zu einem Teil des Kennzahlensystems in der Unternehmensanalyse. Manchen Manager dürften unsere Ergebnisse allerdings verblüffen.“ Die Studie zeigt: Steigt der Marktanteil um einen Prozentpunkt, erhöht sich der Gewinn durchschnittlich nur um 0,13 Prozentpunkte.

Wirksamkeit des Marktanteils ist Irrglaube

„Diese sogenannte Marktanteil-Gewinn-Elastizität erweist sich als drastisch geringer als allgemein angenommen“, erläutert Himme. Der Großteil der Berater und Entscheider in der Wirtschaft geht davon aus, dass mehr Marktanteil zuverlässig zu deutlich höheren Gewinnen führt. „Wir zeigen auf, dass das ein Irrglaube ist. Der Marktanteil ist entgegen der vorherrschenden Meinung nur eine schwache Stellschraube. Manager sollten diese Fokussierung hinterfragen.“ Andere Kennzahlen wurden folglich bislang unterschätzt: Eine verbesserte Kundenbindung wirkt sich der Studie zufolge sechs Mal stärker auf den Gewinn einer Firma aus, eine profiliertere Marke fast drei Mal so stark.

Kundenbeziehung und starke Marken erhöhen Gewinn effektiver

„Marketingteams sollten sich nicht auf den Marktanteil konzentrieren, sondern auf den Aufbau starker Marken und die Bindung gewinnversprechender Zielgruppen“, rät Himme. Rund zehn Prozent des Marketingbudgets genügen folglich für den Ausbau des Marktanteils, um auf diesem Weg den Gewinn zu erhöhen. In die Kundenbeziehung sollten rund 60 Prozent fließen und etwa 30 Prozent in den Markenaufbau. Diese Empfehlungen basieren auf den Durchschnittswerten quer durch alle Branchen, Segmente und geografischen Regionen.

Hier punktet der Marktanteil: materielle Güter, B2C und Westeuropa

Für Unternehmen lohnt es sich, genau hinzuschauen. So erweist sich erstens der Marktanteil in der Produktion wichtiger als im Dienstleistungssektor. Offenbar profitieren Marktführer im produzierenden Gewerbe von einer höheren Effizienz und Marktmacht in Bezug auf Wettbewerber. Zweitens spielt beim Verkauf an Privatpersonen (Business-to-Consumer, B2C) der Markanteil eine größere Rolle als bei Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen (Business-to-Business, B2B). Private Konsumenten sind bereit, für das Produkt des Marktführers mehr zu bezahlen. Kaufentscheidungen von Unternehmen dagegen basieren auf rationalen Strukturen wie Beschaffungsteams oder Ausschreibungen. Eine dritte Unterscheidung zeigt sich in Bezug auf die Geografie. In westeuropäischen und Schwellenländern hat der Marktanteil demnach einen stärkeren Einfluss als in den sehr wettbewerbsorientierten Vereinigten Staaten, wo massive Preissenkungen den Umsatz ankurbeln sollen. Diese Preiskriege machen das Unternehmen weniger profitabel.

Welt hat sich seit den 1970ern geändert – und auch die Bedeutung bestimmter Kennzahlen!

In den 1970er Jahren hatten die viel beachteten US-amerikanischen PIMS-Studien (Profit Impact of Market Strategies) den Marktanteil zum wichtigsten Gewinntreiber erklärt. 1993 bestätigte eine erste Meta-Studie diese These. Seitdem hat sich die Weltwirtschaft radikal verändert: Sie ist digital, globalisiert und dienstleistungsorientiert. Die nun vorliegende Studie trifft erstmals verallgemeinerbare Aussagen zur Rolle des Marktanteils heute. (Quelle: KLU/idw-online.de)